Bayer investiert Milliarden in Pharmaforschung

Übernahme des Biotech-Unternehmens Vividion Therapeutics

Bayer stärkt Pharmaforschung

Die Bayer AG hat Vividion Therapeutics, ein biopharmazeutisches Unternehmen mit Hauptsitz in den USA, erworben. Im Rahmen der Transaktion zahlt Bayer 1,5 Milliarden Dollar und wird potenzielle, erfolgsabhängige Meilensteinzahlungen von bis zu 500 Millionen Dollar erbringen. Nach Abschluss der Übernahme verfügt Bayer über sämtliche Rechte an der Forschungsplattform von Vividion. Diese umfasst drei integrierte, sich ergänzende Komponenten: eine neue Screeningtechnologie der Chemoproteomik, ein integriertes Datenportal und eine eigene Bibliothek chemischer Substanzen. 

Die Investition stärkt die Pharmaforschung der Leverkusener im Bereich niedermolekularer Wirkstoffe sowie beim Zugang zu neuen Modalitäten. Es ist bereits die vierte Übernahme innerhalb eines Jahres. Zuvor hatte Bayer unter anderem die Biotech-Unternehmen Azitra und Kandy Therapeutics gekauft.

Mit seiner Technologieplattform ist Vividion in der Lage, unterschiedliche Therapien mit niedermolekularen Wirkstoffen für verschiedene Indikationen zu entwickeln. Dabei liegt der Schwerpunkt zunächst im Bereich der Onkologie und Immunologie. Die Programme von Vividion beinhalten eine Reihe an präzisionsonkologischen und -immunologischen Zielproteinen. Dazu zählen, neben weiteren präklinischen Forschungsprogrammen, aktuelle Forschungsarbeiten an einem Transkriptionsfaktor NRF2-Antagonisten für die potenzielle Behandlung von Krebs mit NRF2-Mutationen, sowie an NRF2-Aktivatoren für verschiedene entzündliche Krankheiten wie Reizdarm.

„Diese Akquisition ist eine der Säulen unserer Strategie, unser Portfolio mit bahnbrechenden Innovationen zu verstärken“, betont Stefan Oelrich, Mitglied des Vorstands und Leiter der Division Pharmaceuticals bei Bayer. „Die Technologie von Vividion ist die fortschrittlichste in der Industrie und hat bewiesen, dass sich mit ihrer Hilfe Wirkstoffkandidaten identifizieren lassen, die Proteine adressieren, die bisher nicht angesprochen werden konnten. Zusammen mit dem bestehenden Know-how von Bayer werden wir in der Lage sein, erstklassige Medikamentenkandidaten zu entwickeln und damit den Wert unseres Portfolios zu steigern. Unser Ziel ist es, Patienten, deren medizinische Bedürfnisse durch die heute verfügbaren Behandlungsoptionen noch nicht abgedeckt werden, innovative Therapien anzubieten.“

Identifizierung von schwer adressierbaren Wirkstoffkandidaten für Proteine

In der Wirkstoffforschung ist die Identifizierung von Wirkstoffkandidaten für Proteine, die als schwer adressierbar gelten, eine große Herausforderung. Die Chemoproteomik-Screeningplattform von Vividion ist in der Lage, zuvor unbekannte Bindungstaschen in gut validierten Zielproteinen zu identifizieren. Hierfür werden chemische Testverbindungen mit dem gesamten menschlichen Proteom abgeglichen, um die Selektivität zu beurteilen. So werden hochwirksame und selektive Substanzen hervorgebracht, die breite therapeutische Anwendungsmöglichkeiten für verschiedene Bereiche mit hohem ungedeckten medizinischen Bedarf bieten. Die Technologie von Vividion hat ihre präklinische Anwendbarkeit in der Onkologie und Immunologie bereits unter Beweis gestellt und hat das Potenzial, dieses auf weitere Indikationsfelder auszuweiten.

Chemoproteomik-Plattform überwindet Einschränkungen konventioneller Screening-Verfahren

„Trotz der Fortschritte in der Genomik, der Strukturbiologie und dem Hochdurchsatz-Screening können etwa 90 Prozent der krankheitsverursachenden Proteine nicht mit den derzeitigen Therapien angesprochen werden, da es keine bekannte adressierbare Bindungsstelle gibt. Unsere firmeneigene Chemoproteomik-Plattform überwindet die wesentlichsten Einschränkungen konventioneller Screening-Verfahren und ermöglicht uns, bisher unbekannte oder verborgene funktionelle Taschen auf der Oberfläche von Proteinen zu entdecken und niedermolekulare Wirkstoffe zu identifizieren, die sich selektiv an diese Targets binden“, sagte Jeff Hatfield, Chief Executive Officer bei Vividion. „In Verbindung mit der Expertise von Bayer bei der Entwicklung niedermolekularer Wirkstoffe von der frühen Forschung bis zur Vermarktung und Anwendung beim Patienten kann damit eine einmalige Position eingenommen werden, um schwer adressierbare Zielproteine anzusprechen und neue Arten von Substanzen zum Wohle der Patienten zu entwickeln.“

Um den Unternehmergeist als wesentliche Grundlage für erfolgreiche Innovation beizubehalten, wird Vividion als Tochtergesellschaft von Bayer weitgehend unabhängig agieren. Das Tochterunternehmen wird weiterhin für die Weiterentwicklung seiner Technologie und seines Portfolios verantwortlich sein, profitiert dabei aber von der Erfahrung, Infrastruktur und Reichweite von Bayer als globales Pharmaunternehmen. Der Abschluss der Transaktion bedarf noch der Genehmigung der beteiligten Behörden und wird bis zum dritten Quartal 2021 erwartet.