Pharma-Talk mit Thomas Schleife von Transco Berlin Brandenburg über Pharmalogistik in Corona-Zeiten

Nur im Zusammenspiel: Dreiklang von Unternehmen, Kunden und Staat

Thomas Schleife, Geschäftsführer der Transco Berlin Brandenburg GmbH

Die Corona-Pandemie bringt für die Wirtschaft ungeahnte Herausforderungen mit sich. Während für viele Betriebe das Geschäft zum Erliegen kam, halten systemrelevante Branchen die Gesellschaft am Leben, in der Regel unter Bedingungen, die an die Kräftegrenzen gehen. Zu diesen Branchen gehört auch die Logistik. Die Transco Berlin Brandenburg GmbH in Großbeeren ist ein Pharmalogistik- und Transportunternehmen, das in diesen Zeiten ganz besonders gefordert ist. 2010 gegründet, ist das Unternehmen seit zehn Jahren auf diese Pharmadienstleistungen spezialisiert. Wie das Unternehmen die Situation meistert, zeigt Geschäftsführer Thomas Schleife im Pharma-Talk mit pharmaindustrie-online.de.

pharmaindustrie-online.de: Herr Schleife, Ihre logistischen Aktivitäten sind sehr stark international ausgerichtet. Welche Auswirkungen hatte der Ausbruch des Corona-Virus auf Ihr Geschäft?

Die ersten Stunden brachten eine große Verunsicherung mit sich - nach innen wie außen - und im ersten Moment auch einiges an Durcheinander. Hier zahlte sich unser gut strukturiertes und eingespieltes Team aus, das sich schnell auf die wesentlichen Anforderungen mit klarer Führung fokussieren konnte. Die unabgestimmte Politik der einzelnen Länder brachte die Transportabwicklung für kurze Zeit zum Stillstand und erschwerte uns diese in den ersten vier Wochen enorm. Das wirkt zum Teil bis heute nach. In den letzten beiden Märzwochen standen unsere LKW mehr an den Grenzen, als dass sie fahren konnten. Nach Moskau braucht man beispielsweise normalerweise rund vier Tage, in dieser Situation dauerte es acht bis neun. Oder brauchte man bis Budapest in normalen Zeiten zwei, waren es jetzt bis zu 5 Tagen. Fast jeder Transport konnte nur mit dem Mehrfachen an Kraft und Aufwand realisiert werden. Das Telefon stand sieben Tage die Woche nicht mehr still. Es galt für uns außerdem erst einmal herauszufinden, welches Land welche Regelungen und Beschränkungen erlassen hatte und wie es mit deren Auslegung aussah.

Ich habe noch nie in meinen 36 Jahren Speditionsleben so viele LKW-Ladungen zurück nach Deutschland holen oder über andere Routen umleiten müssen bzw. Fahrer bis Kasachstan gebracht und ausgetauscht, wie in den letzten Wochen. Bei allem anfänglichen Chaos sind wir stolz, dass wir jeden Transport ordnungsgemäß unter Einhaltung der hohen Pharmastandards ans Ziel bringen konnten. Das gelang nur, weil wir als Team eng und vertrauensvoll arbeiteten und unsere Kunden und Unternehmer mitgemacht haben. Hier zahlte sich auch die langjährige vertrauensvolle Kooperation zwischen den Beteiligten aus.

pharmaindustrie-online.de: Ihre Leistungen sind systemrelevant. Welche Produkte befördern Sie konkret und wie halten Sie die Logistikkette aufrecht?

Wir transportieren für die Pharmaindustrie Rohstoffe, Zwischenprodukte und Fertigarzneimittel. Dabei sind wir auf hochwertige Produkte wie Krebsmittel, Betäubungsmittel (BTM) und pharmazeutische Wirkstoffe (API) spezialisiert. Außerdem transportieren wir medizinische Geräte und aktuell auch Schutzausrüstung aus Asien. Im Lagerbereich handeln wir diverse Produkte im temperierten Bereich (+2 bis +8 Grad Celsius). Dienstleistungen für Pharmaprodukte erfordern die Einhaltung der sehr anspruchsvollen gesetzlichen Vorschriften. Dafür bedarf es professioneller und eingespielter Prozesse. Um dies zu gewährleisten, teilten wir die Mannschaft. Eine Gruppe ist im Büro, um die operativen Prozesse im Büro abzuwickeln. Eine zweite Gruppe ist im Homeoffice oder Urlaub, um als back up im Krankheitsfall sofort einspringen zu können.

Nach einer zweiwöchigen Eingewöhnungszeit läuft das sehr gut. Natürlich ist der Aufwand spürbar höher, aber eine solche Arbeitsweise ist aktuell alternativlos, denn bei den sensiblen Produkten muss die volle Arbeitsfähigkeit gewährleistet sein. Um für den Ernstfall gerüstet zu sein, mussten wir die Voraussetzungen für das Arbeiten im Homeoffice bei allen Mitarbeitern schaffen, inklusive Druckerbestellungen und „Notfallpaketen“ fürs Office für jeden Mitarbeiter. Das Schwierigste war, die erforderliche Technik zu bekommen. Wir haben unsere schon immer bestehende klare und direkte Kommunikationsstrategie mit unseren Kunden, Unternehmern und weiteren Partnern noch weiter ausgebaut. Das schafft Verständnis, Sicherheit und Berechenbarkeit. Wie dies nach außen gilt, ist es auch nach innen notwendig. Mein Prinzip hier lautet: überlegen - erklären - kurz abstimmen und dann machen. Ein entscheidender Punkt ist die offene und enge Abstimmung mit unseren Fahrern und Subunternehmern - die Jungs und Mädels machen in diesem Bereich mit den härtesten Job und brauchen unsere Anerkennung.

pharmaindustrie-online.de: Medien und Politik schwören die Gesellschaft seit Wochen auf den Solidargedanken ein. Wie erleben Sie dies in der Preisgestaltung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer? Man hört von Preiskampf und Billigpreisen auch in der Logistikbranche.

Das Thema Preiskampf und Billigpreise ist bekannter Maßen schon von einigen Betroffenen lautstark bekannt gemacht worden. Und das ist auch gut so. Es soll ruhig jeder sein Verständnis von Verantwortung zeigen und damit seinen Charakter offenbaren. In der Pharmawelt ist dies nicht so einfach umsetzbar, da es hier einer Vielzahl von gesetzlichen Regelungen und dokumentarischen Nachweisen bedarf, die die Dienstleister erst einmal erwerben und dann auch ständig nachweisen müssen. Aber auch hier gilt das Wettbewerbsprinzip, und wir müssen uns jeden Tag neu beweisen. Die Pharmaindustrie hat nach unserem Erleben bisher ganz klar auf das Prinzip der „sicheren Lieferkette zuerst“ gesetzt und ihren Dienstleistern das Vertrauen geschenkt. Nur so war und ist es möglich, die hohen Pharmaanforderungen dauerhaft qualitativ umzusetzen.

Dazu kommt ja der Fakt, dass wir Dienstleister teilweise auch mehr zu leisten haben. Die Sendungsanzahl ist gestiegen, da Medikamente noch schneller als bisher verfügbar sein müssen. Ich möchte an dieser Stelle unseren Pharmakunden ein großes Lob für die Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft in dieser Krisenzeit aussprechen. Hier zeigten wir gemeinsam eindrucksvoll, dass das Miteinander für alle mehr bringt als nur auf Einzelinteressen zu setzen. Ich hoffe, dass sich dieses Prinzip für die Zukunft erhält. Wir rechnen kurzfristig nicht damit, dass sich die aktuellen Anforderungen der Pharmaindustrie verringern werden. Jeder von uns erwartet, dass Medikamente und Pharmaprodukte stets verfügbar sein sollen. Und im Bereich der Schutzausrüstungen läuft die Logistikkurve gerade erst hoch.

pharmaindustrie-online.de: Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, dass die mittelständische Logistikwirtschaft die Krise übersteht?

Dies ist eines der wichtigsten mittelfristigen Themen. Einerseits ist dies ein internes Thema der Firmen und andererseits ein gesamtgesellschaftliches Thema: Intern muss jedes Unternehmen zuerst seine „Schularbeiten“ machen. Dieser Prozess läuft bereits. Da haben wir Logistiker, Spediteure und Transportunternehmer aus den Krisen der letzten 20 Jahre viel gelernt. Es gibt verschiedene Potentiale und Möglichkeiten. Der Staat bietet dazu auch Unterstützung an. Dies wird aber nur eine gewisse Zeit helfen können.

Gesamtgesellschaftlich sehe ich aktuell zwei Szenarien - entweder wir überstehen (fast) alle die Krise im Zusammenspiel von Eigenkapital/staatlicher Unterstützung und einer solidarischen Zusammenarbeit mit den Kunden - vernünftige Preise eingeschlossen. Oder ein Teil der Wirtschaft saniert sich mit Preisdumping und Billigpreisen. Dann erleben wir ein sehr großes Sterben in der Dienstleistungsbranche. Das führt dann in zirka 18 bis 24 Monaten dazu, dass wesentliche Kapazitätsengpässe die Preise nach oben treiben und die Wirtschaft den Preis „später“ bezahlt. Ich hoffe, dass die gezeigte Lernleistung des größten Teils der Wirtschaft in den letzten acht Wochen dem ersten Szenario folgt.

Herr Schleife, wir danken Ihnen für das offene und konstruktive Gespräch!
 

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