Produktverfolgung bei der Medikamentenherstellung

Herausforderungen durch neue Bestimmungen in der Pharmaindustrie

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Nach Berechnungen der Pharmaexperten von IMS Health erzielte der Pharmamarkt 2011 weltweit einen Umsatz von 880 Milliarden USD bei einem jährlichen Wachstum zwischen fünf und sieben Prozent. Wirtschaftsfachleute von Pricewaterhousecoopers (PWC) prognostizieren für die globale Pharmaindustrie ein goldenes Zeitalter mit einem Umsatz von fast 1,6 Billionen USD bis zum Jahr 2020.(1) Zurzeit führen die USA die Liste der globalen Pharmamärkte an und Branchenkenner sagen aufgrund des Affordable Care Act ein Wachstum von 33 Prozent und somit einen Anstieg auf ein Gesamtvolumen von 476 Milliarden USD für denselben Zeitraum voraus.(2) Schwellenländer wie China und Brasilien sind jedoch auf dem Vormarsch und behaupten sich mittlerweile als dritt- und sechstgrößter Pharmamarkt der Welt.(3)

Da zahlreiche Patente für einige der erfolgreichsten Markenmedikamente auslaufen und der Wettbewerb durch preisgünstigere Generika an Dynamik zunimmt, werden die Pharmahersteller nach Meinung von IMS Health bis 2016 bei ihren Markenprodukten nur ein minimales Wachstum verzeichnen können. Mit Generika wird derzeit weltweit ein Umsatz von 225 Milliarden USD erzielt. Laut einem Bericht von BCC Research wird dieses Marktvolumen in den nächsten fünf Jahren durchschnittlich um zehn Prozent jährlich auf insgesamt 358 Milliarden USD ansteigen.(4) Dieses starke Wachstum des Generikamarkts wird jedoch potenziell durch gefälschte Medikamente bedroht.

Medikamentenfälschungen nehmen zu
Der Markt für gefälschte Medikamente wächst rapide und die Wirtschaftsfachleute von Deloitte schätzen den aktuell mit diesen Medikamenten erzielten Umsatz auf 75 bis 200 Milliarden USD.(5) Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass über 25 Prozent der in den Entwicklungsländern verkauften Medikamente und 50 Prozent der online bestellten Produkte gefälscht sind.(6) Nach Schätzungen des Instituts sterben in Afrika jedes Jahr 100 000 Menschen aufgrund gefälschter Medikamente.(7) Als Reaktion erlassen Regierungen auf der ganzen Welt schärfere Bestimmungen für Pharmaprodukte und verpflichten die Branche, die Rückverfolgbarkeit von Produkten zu gewährleisten.

Durch das Fehlen einer einzelnen internationalen Behörde hat die Pharmaindustrie jedoch Schwierigkeiten, den gefälschten Medikamenten Herr zu werden. Die USA und Europa haben dieses Problem erkannt und sind daher weltweit federführend an der Einführung eines umfassenden Systems zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit von Medikamenten beteiligt. Frankreich, Italien, Griechenland, Belgien und die Türkei haben bereits Bestimmungen zur Rückverfolgbarkeit erlassen und es wird erwartet, dass weitere Regierungen mit ähnlichen Gesetzen nachziehen.

Fortschrittliche Technologien für die Produktinspektion, einschließlich Track & Trace-Systeme, Kontrollwaagen, Metallsuchgeräte und Röntgeninspektionssysteme, gelten in der Branche als die optimale Lösung zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit pharmazeutischer Produkte in der gesamten Lieferkette sowie zur Optimierung der Produktqualität und -sicherheit. Der Einsatz dieser Technologien kann helfen, die Verbraucher vor minderwertigen Medikamenten und die Hersteller vor gravierenden Imageschäden zu schützen.

Verfolgung der Produkte durch die gesamte Produktionslinie
Durch die Globalisierung sind die Beschaffungs- und Lieferkettenprozesse in der Pharmaindustrie komplexer als je zuvor. Oft werden Rohmaterialien in einem Land gekauft und in einem weiteren verarbeitet, bevor das Endprodukt in einem dritten Land in den Handel gelangt. Diese komplizierte Lieferkettenstruktur hat die Notwendigkeit von Track & Trace-Systemen für Produktionslinien in der Pharmabranche verstärkt. Denn nur dank dieser Lösungen können Hersteller die Konformität ihrer Produktion mit den geltenden Sicherheitsbestimmungen nachweisen.

Die EU-Richtlinie gegen Arzneimittelfälschung, die 2015 in Kraft tritt, fordert von Pharmaherstellern die Implementierung fortschrittlicher Serialisierungstechnologie in ihre Produktionslinien. Die Richtlinie soll die Rückverfolgbarkeit pharmazeutischer Produkte ermöglichen und Verbraucher vor den Gefahren schützen, die von gefälschten Medikamenten ausgehen. Bisher war die Türkei in diesem Bereich weltweit führend, da sie bereits 2010 das als ITS (Ilac Takip Sistemi) bezeichnete System zur Medikamentenrückverfolgung einführte, um der Flut von Medikamentenfälschungen in ihrem Land Herr zu werden. Frankreich, Italien, Griechenland und Belgien haben ihre Bestimmungen zur Medikamentenrückverfolgung bereits vor dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie angepasst und es ist wahrscheinlich, dass die Sorge um die Sicherheit von Medikamenten zum Schutz der Verbraucher auch andere EU-Länder veranlassen wird, ähnliche Bestimmungen zu erlassen. Es wird erwartet, dass andere Industrienationen und Schwellenländer auf der ganzen Welt diesem Beispiel in naher Zukunft folgen werden.

Mit fortschrittlichen Systemen für die Serialisierung und die optische Produktinspektion können Hersteller ihre Produkte durch die gesamte Produktionslinie verfolgen – von einzelnen Kartons über Bündelung und Palettierung bis hin zum Versand. Es ist sogar möglich, einzelne Tabletten auf ihrem Weg durch die Produktionslinie zu verfolgen. Diese Technologie ist außerdem in der Lage, Packungen auf die richtige ID (Produktidentifikation) und den richtigen Barcode zu prüfen. Da bei Barcodes Druckfehler auftreten können, ist bei schnell laufenden Pharmaproduktionslinien die sofortige und zuverlässige Erkennung fehlerhafter Codes unverzichtbar, um das Risiko von Produktrückrufen durch eine nicht den Anforderungen entsprechende Etikettierung zu minimieren und Gewinne und Markenruf zu schützen.

Sicherheit der Pharmaprodukte gewährleisten
Die Sicherheit von Pharmaprodukten hängt jedoch nicht nur von den enthaltenen Wirkstoffen ab. Um den effektiven Schutz der Verbraucher zu gewährleisten, gilt es noch weitere Faktoren zu berücksichtigen. Beispielsweise müssen Hersteller sicherstellen, dass ihre Produkte keine Fremdkörper enthalten. Solche Fremdkörper können z. B. durch gebrochene Siebdrähte verursacht werden, die bei der Verarbeitung der Ausgangsstoffe in den Produktstrom und schließlich in die Kapseln oder Tabletten gelangen können.

Metallsuchgeräte sind in der Lage, Fremdkörper aus Eisen- und Nichteisenmetallen sowie Fragmente aus nicht magnetischen Edelstählen zu erkennen, und eignen sich daher ideal zur Überprüfung pharmazeutischer Produkte. Dank des technologischen Fortschritts sind Metallsuchgeräte heute wesentlich empfindlicher und können Ausrichtungseffekte eliminieren. Dieses Phänomen bewirkt eine höhere Erkennungsleistung des Systems, wenn sich Metallfragmente in einer bestimmten Ausrichtung zum Suchkopf des Metallsuchgeräts befinden. Metallsuchgeräte für pharmazeutische Produkte können für die Überprüfung sämtlicher Tabletten, Kapseln und Pulver eingesetzt werden, um die Konformität mit gesetzlichen Bestimmungen und Anforderungen zu gewährleisten.

Produktqualität überwachen
Auch weitere Parameter für die Produktqualität sind wichtig für den Verbraucherschutz. Pharmahersteller müssen ihre Produkte auf Unversehrtheit der Verpackung überprüfen, um die Produktsterilität sicherzustellen und das Risiko einer Produktmanipulation zu minimieren. Die verpackten Produkte müssen auf beschädigte Ampullen und fehlende Kapseln sowie auf das Vorhandensein von Beipackzetteln kontrolliert werden, die in vielen Ländern gesetzlich vorgeschrieben sind. Darüber hinaus sollten Hersteller auch die Füllstände ihrer Packungen überwachen. Dadurch können sie die Verschwendung wertvoller Produkte minimieren und die Effizienz der Produktionslinie steigern.

Röntgeninspektionssysteme können in Produkten Fremdkörper aus Metall, Glas, Gummi und Kunststoff mit hoher Dichte erkennen. Des Weiteren ist diese Technologie in der Lage, die Verpackungsintegrität zu überprüfen, beschädigte und fehlende Komponenten zu identifizieren und die Produktmasse und die Füllstände genau zu messen. Kontrollwaagen können die Füllstände von Flaschen und Ampullen bestimmen und die Abfüllung zur Steigerung der Effizienz von Produktionslinien für Einwegprodukte genau steuern. Dies reduziert Produktverschwendung und gewährleistet den optimalen Schutz der Verbraucher vor ungenauen Dosierungen.

Globale Produktüberwachung
Obwohl die größten Pharmaunternehmen über Niederlassungen weltweit verfügen, stellen viele von ihnen ihre Produkte vor Ort her, um die Konformität mit den lokal geltenden Bestimmungen sicherzustellen. Zur Senkung der Produktionskosten und gleichzeitigen Gewährleistung der Produktqualität und -sicherheit können Hersteller ihre Verarbeitungssysteme harmonisieren, indem sie die Produktinspektionssysteme für alle Produktionslinien von einem einzelnen Hersteller beziehen. Die Vernetzung der Produktinspektionssysteme mehrerer Produktionslinien zu einem einzelnen Datenerfassungsnetz kann die Überwachung von Leistungsdaten unterstützen, sodass Hersteller die globale Produktqualität besser kontrollieren und die Einhaltung der gebührenden Sorgfalt nachweisen können.

Auf dem Markt sind viele Produktinspektionslösungen erhältlich, doch stellt die Beschaffung dieser Systeme von Herstellern mit globaler Präsenz sicher, dass auf jeder Produktionslinie dieselben Standards und Qualitätsanforderungen erfüllt werden. Dank des technologischen Fortschritts sind Inspektionssysteme heute nicht nur kompakter und bedienerfreundlicher, sondern sie lassen sich auch einfacher mit anderen Systemen in der Produktionslinie integrieren. Mit innovativer Produktinspektionssoftware ist es möglich, jede Maschine mit einem Datenerfassungsnetz zu verbinden und alle Produktinspektionsdaten an einem zentralen Ort zu speichern. Dies vereinfacht für Hersteller die Rückverfolgung von Produktchargen und erleichtert bei Produktrückrufen die Identifizierung problematischer Chargen sowie die Umsetzung von Gegenmaßnahmen.

Auswahl geeigneter Produktinspektionslösung wichtig
In den nächsten Jahren werden infolge der veränderten Bestimmungen und der Globalisierung der Pharmaproduktion immer mehr Pharmahersteller Produktinspektionslösungen einsetzen, um ihre Inspektionsprozesse zu automatisieren. Allerdings können Hersteller mit dieser Technologie nicht nur ihre Produktqualität sicherstellen, sondern auch ihre Produktionskosten drastisch reduzieren.

Für Pharmahersteller gewinnt die Zusammenarbeit mit Anbietern von Produktinspektionssystemen zunehmend an Bedeutung, damit sie die für ihre Produkte und Produktionslinien am besten geeignete Produktinspektionslösung auswählen können. Auf diese Weise sind Pharmahersteller in der Lage, die veränderten Branchenbestimmungen auch zukünftig zu erfüllen.

Autor: Romulo Leon, Head of Global Sales, Mettler-Toledo PCE

(1) http://www.pwc.com/gx/en/pharma-life-sciences/pharma2020/market-opportun...
(2) http://www.forbes.com/sites/brucejapsen/2013/05/25/obamacare-will-bring-...
(3) http://www.pmlive.com/intelligence/country_reports/building_brics
(4) http://www.bccresearch.com/market-research/pharmaceuticals/generic-drugs...
(5) http://www.economist.com/node/16943895
(6) http://www.who.int/bulletin/volumes/88/4/10-020410/en/
(7) http://www.un.org/africarenewal/magazine/may-2013/counterfeit-drugs-rais...