Was für die Mobilität das Elektro-Zweirad ist, ist für die Automatisierung der Ethernet-Zweidraht. Beide haben das Zeug, Verbindungen auf den letzten Metern nachhaltiger und intelligenter zu machen. Nicht umsonst setzt der Sensorhersteller Jumo bei seiner Messtechnik auf Single Pair Ethernet (SPE) als zukunftsweisendes Kommunikationsmedium. Die dafür notwendige Verbindungstechnik kommt von Phoenix Contact und ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit auf Projektebene. Die Ausführung der Verbindung selbst ist auf maximale Robustheit und Hygiene getrimmt. Die Durchfluss- und Drucksensoren der Baureihen „Flowtrans Mag H20“ und „Delos S02“ von Jumo sind in der Pharmaindustrie weit verbreitet. Eine hohe Betriebssicherheit über lange Zeiträume kann nur erreicht werden, wenn auch die Steckverbinder den anspruchsvollen Produktionsprozessen oder der CIP-Reinigung (Clean in Place) standhalten. Die Lösung von Phoenix Contact folgt dem Hygienic Design und erreicht die Schutzart IP67.
„Wir können unsere intelligenten Sensoren mit Single Pair Ethernet besser nutzen“, sagt Manfred Walter, Produktmanager bei Jumo. „Ich habe einen echten Mehrwert, indem ich mit SPE mehr Sensordaten übertragen kann.“ Mehr Daten sind die Grundlage, um aussagekräftige Informationen zu erhalten. Diese Möglichkeit besteht nicht, wenn ein 4- bis 20-mA-Sensor nur einen nackten Stromwert überträgt, beispielsweise als Äquivalent für eine Temperatur.
Mit SPE-Anschluss Sensorinformationen lückenlos in einem System verteilbar
Richtig ins Schwärmen gerät der Produktmanager angesichts der Tatsache, dass mit dem SPE-Anschluss Sensorinformationen endlich lückenlos in einem System verteilbar sind. Manfred Walter hat dabei die schwer zu überwindenden Etagengrenzen innerhalb der Automatisierungspyramide vor Augen. „Die Durchgängigkeit über alle Ebenen hinweg betrachten wir bei Jumo als große Stärke. Zudem sparen wir dabei auch noch Kabel, da ja über die zwei Drähte Daten und Energie, Power over DataLine (PoDL) geführt werden.“ SPE biete grundsätzlich die Chance der durchgängigen Kommunikation von der ERP-Ebene bis hinab zur Sensorik und Aktorik der Feldebene. „Und das Ganze funktioniert auch noch ohne Medienbrüche“, unterstreicht Walter, d.h. der Sensor kommuniziert in alle Ebenen durchgängig auf Basis von Ethernet-Protokollen
OEE zählt als Investitionsgrundlage
Die Protagonisten von Single Pair Ethernet bei Jumo und Phoenix Contact sehen in der Durchgängigkeit von Ethernet eine wesentliche Voraussetzung für mehr Nachhaltigkeit in der Produktion. Der Nutzen ergibt sich vor allem aus den neuen Möglichkeiten, die die Fehlersuche vereinfachen und durch das Sammeln von Statusinformationen auch eine zustandsorientierte Wartung ermöglichen. Das Ganze mündet in einen bunten Strauß an Vorteilen, die letztlich die OEE (Overall Equipment Effectivness) - also die Gesamtanlagenverfügbarkeit - verbessern. Auch die Anbindung an cloudbasierte Dienste wird erleichtert.
Mit SPE gegen den Medienbruch in der industriellen Kommunikation: Führen diese Vorteile zu einem Umdenken bei der Wahl der Anschlusstechnik auf Sensorebene? Nach den Erfahrungen von Manfred Walter sind die Kundenerwartungen im Maschinen- und Anlagenbau nach wie vor deutlich preisgetrieben. Die Budgets für Messketten seien bei der Projektierung von Anlagen eng begrenzt. „Die Frage ist, was eine Messkette kosten darf und wie hoch der Mehrpreis für die SPE-Anbindung ist." Schlüssige Argumente für die durchgängige Ethernet-Architektur lassen sich insbesondere in standardisierten Ausschreibungsverfahren nur schwer darstellen. Die positiven Auswirkungen auf die OEE als wichtige Kennzahl für Investitionsentscheidungen lassen sich daher am besten im direkten Kontakt argumentieren.
SPE als Übertragungstechnik für konvergente Netze
Für Martin Müller, Feldbus-Urgestein bei Phoenix Contact, ist eine Übertragungstechnik mit SPE ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu konvergenten Netzen. Während beispielsweise das Time Sensitive Network (TSN) vor allem für zeitkritische Aufgaben in den Disziplinen Functional Safety oder Motion Control konzipiert ist, kommt 5G für Anwendungen zum Einsatz, die Mobilfunk benötigen. Ähnliches gilt für Wlan 6 und 7 im Bereich der lizenzfreien drahtlosen Übertragungstechnik. „Single Pair Ethernet eignet sich wiederum sehr gut für die Kommunikation auf den letzten Metern", sagt Martin Müller. Das konvergente Ethernet-Netzwerk ist die Klammer für alle Technologien. Es ist die einheitliche Welt der industriellen Kommunikation. Wenn sich die Akteure der Automatisierungstechnik, der Elektrotechnik sowie des Anlagen- und Maschinenbaus mittelfristig auf diesen Weg verständigen, gehören die Feldbuskriege mit ihren branchenspezifischen Entwicklungen endgültig der Vergangenheit an.
SPE-Steckerlösung überbrückt 1.000 Meter mit zehn Megabit
Die Chancen dafür stehen gut. Denn das Ganze wird unterstützt durch die allgemeine Übertragungsleistung der Standardkommunikation aus dem Consumer-Markt. So erreicht SPE als Medium für die räumlich begrenzte Maschinenebene auf einer Leitungslänge von bis zu 1.000 Metern eine Übertragungsrate von zehn Mbit pro Sekunde. Im Vergleich dazu liefert beispielsweise I/O-Link bei einer maximalen Leitungslänge von 20 Metern gerade einmal 230,4 kbit pro Sekunde. Auch wenn I/O-Link die Anbindung von Sensoren zweifellos deutlich vereinfacht, reicht die Datenübertragung nach Ansicht von Manfred Walter für die zukünftigen Aufgaben in gekoppelten Sektoren nicht mehr aus.
Apropos Zukunft: Phoenix Contact und Jumo sehen unisono gerade bei der jüngeren Generation von Fachkräften eine klare Ausrichtung auf konvergente Ethernet-Netzwerke. „Die Digital Natives haben - provokant gesagt - aus ihrer Prägung und Historie heraus weniger Verständnis dafür, warum wir in der industriellen Automation so viele unterschiedliche Systeme betreiben", sagt Martin Müller. Ziel müsse sein, sich mehr die Frage zu stellen, was ein Sensor kann und was er über seinen eigenen Messbereich hinaus noch in der Lage ist zu tun für den effizienten und ressourcensparenden Anlagenbetrieb. „Wir sehen hier eine enorme Zukunft", unterstreicht ebenfalls Manfred Walter.
Installieren, anschließen, fertig: Mit dem SPE-Anschluss ist die Installation eines Jumo-Sensors kinderleicht und funktioniert dank Ethernet-Layer ohne Gateways oder aufwändige Schnittstellenprogrammierung. Mit dem Ziel, die Übertragungsdistanz von Single Pair Ethernet von 1.000 Metern in der Praxis ohne limitierende Dämpfung zu erreichen, ist der von Phoenix Contact entwickelte Steckverbinder in der Baugröße M12 ausgeführt. „In der M8 Ausführung hätten wir zu wenig Platz für den Anschluss eines zweiadrigen Datenkabels in AWG18 gehabt, welches für die Distanz von 1.000 Meter zum Einsatz kommt", erklärt Manfred Walter.
Fazit: SPE verbindet Sensoren mit der Cloud
Die Anbindung von Sensoren mit SPE eröffnet die Möglichkeit, zusätzliche Messgrößen in die Kommunikation einzubinden. Zudem eröffnen sich neue Möglichkeiten, Sensoren direkt an die Cloud anzubinden, da die Geräte funktional bereits über ein Gateway verfügen und somit kein weiteres Gateway benötigt wird. Das spart Komponenten und Kosten. Typische Einsatzgebiete für den SPE-Multisensor Hydrotrans S20 für Temperatur, Feuchte und CO2 sieht Jumo beispielsweise in der Überwachung sensibler Lagerräume, allgemeinen Überwachungsaufgaben sowie anspruchsvollen Aufgaben rund um das Thema Betriebs- und Mitarbeitersicherheit.
Autoren:
Manfred Walter, Produktmanager Single Pair Ethernet (SPE) bei Jumo
Thorsten Sienk, Technischer Redakteur Phoenix Contact