Hygienische, sichere und qualitativ hochwertige Bühnenkonstruktionen sind das Fundament einer modernisierten und automatisierten Produktion. Sie sollten rechtzeitig geplant werden, denn anspruchsvolle Projekte können bis zu zwei Jahre dauern. Die pharmazeutischen Produktionsstätten in Deutschland gehören zu den modernsten der Welt. Mehr als zwei Milliarden Euro investieren die Unternehmen jährlich in neue Maschinen und Anlagen. Der Ausbau der heimischen Produktion wird sowohl durch die Anforderungen der Digitalisierung und der Energiewende als auch durch den Kapazitätsausbau ausländischer Wettbewerber vorangetrieben.
Moderne Produktionsstätten mit hochautomatisierten Fertigungsprozessen, computergesteuerten Anlagen und automatisierter Transportlogistik ermöglichen hohe Stückzahlen. Insbesondere flexibel einsetzbare Produktionsanlagen erweisen sich als zukunftsweisend, um schnell große Mengen an Arzneimitteln herstellen zu können. Bevor sich Unternehmen jedoch an die Planung neuer, hochautomatisierter Produktionsanlagen für neuartige Arzneimittel machen, sollten sie weitere Aspekte berücksichtigen.
Bühnenkonstruktionen: Zuletzt geplant, zuerst gebraucht
Das Fundament jeder Anlage und jeder automatisierten Produktion sind die Bühnenkonstruktionen. Sie müssen individuell an den Bestand und die Gegebenheiten angepasst werden und sollten sich harmonisch in die unterschiedlichen Betriebsumgebungen vor Ort einfügen. Arbeitsbühnen und Zugangskonstruktionen dienen dazu, Maschinen, Anlagen und Geräte effizienter, sicherer und funktionaler zu machen. So unterstützen sie reibungslose Produktionsabläufe und erfüllen gleichzeitig sicherheitsrelevante Anforderungen, um Gefährdungen am Arbeitsplatz zu reduzieren. Sie ermöglichen jederzeit den Zugang zu Anlagen, um diese zu überwachen, einzustellen und zu warten, ohne sensible Produktionsabläufe zu beeinträchtigen. Zudem bieten die Konstruktionen Maschinenbedienern, Technikern und Wartungspersonal eine sichere und stabile Arbeitsumgebung. So können sie komplexe Aufgaben auch in erhöhter Position effizient und unfallfrei ausführen. In Produktionsumgebungen mit langen Prozesslinien wiederum verkürzen Überstiege und Wartungsbühnen die Wege. Hier ist Flexibilität gefragt. Die Konstruktionen müssen zum Teil über mehrere Hindernisse oder Produktbänder hinweg mit entsprechenden Querverstrebungen auch für hohe Produktionslinien realisiert werden. „Bedienbühnen werden zwar zuletzt geplant, werden bei der Modernisierung von Produktionsanlagen aber zuerst benötigt. Bedeutet, bestenfalls schon in der Planungs- und Layoutphase einen Experten hinzuzuziehen und für eine enge Abstimmung mit dem Obermonteur vor Ort und allen beteiligten Gewerke wie Spedition, Logistikpartner, Maschinenhersteller zu sorgen“, sagt Josef Müller, Geschäftsführer von Müller & Sohn, einem auf den Stahlbau spezialisierten Familienunternehmen aus der Eifel mit 175-jähriger Historie. Ein ganzheitlicher Ansatz bei der Entwicklung der Konstruktion stellt sicher, dass die Lösung optimal auf die Branche und ihre individuellen Anforderungen abgestimmt ist. Insbesondere die Pharmaindustrie stellt hohe Anforderungen an Hygiene-, Sicherheits- und Qualitätsstandards entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Hier müssen strenge regulatorische Vorgaben eingehalten werden.
Planung von Bühnenkonstruktionen mit digitalem Zwilling
Bestandteil jeder Projektplanung sind exakte statische Berechnungen hinsichtlich Größe, Ausführung und Belastung anhand von Aufmaßen und technischen Zeichnungen mittels modernster 3D-Laserscantechnik. Dazu wird der Bestand einmalig digital erfasst. Anschließend wird mittels CAD-Software ein erster virtueller Modellentwurf in einer realitätsgetreuen Umgebung erstellt. Dieser digitale Zwilling wird dann auf Verbindungs- und Kollisionspunkte überprüft. Bereits in diesem Schritt ist Millimeterarbeit gefragt. Abmessungen, Konfigurationen und Zusatzfunktionen wie integrierte Sicherheitseinrichtungen, Treppen, Steigleitern, Geländer und rutschfeste Laufflächen sind keine Grenzen gesetzt. Aber sie müssen von Anfang an mitgedacht werden. Nur so können Bühnenkonstruktionen auch bei beengten Platzverhältnissen platzsparend angeordnet werden. Strenge statische Anforderungen und Verkehrslasten sind ebenso zu berücksichtigen wie Arbeitsschutznormen wie die DIN EN ISO 14122. Durch die digitale Dokumentation kann im Projektverlauf flexibel auf Änderungen hinsichtlich Kollisionspunkten, Lasten oder Stützenpositionen reagiert werden.
Materialauswahl für den Bühnenbau
Der nächste Schritt ist die Materialauswahl. Bei Stahloberflächen unterscheidet man zwischen Verzinkung, Grundierung, Beschichtung und Lackierung. Wichtige Faktoren bei der Entscheidung sind der Standort und der Einsatzort der Anlage. Verzinkter Stahl ist preiswerter und auch für den Außenbereich geeignet. Edelstahl ist teurer, aber glatter und korrosionsbeständiger. Er eignet sich besonders, wenn ein Produkt viele Berührungspunkte mit der Konstruktion hat. In jedem Fall ist Stahl langlebig und recycelbar. „Die DIN-gerechte Qualität und die von hygienisch produzierenden Unternehmen geforderten Oberflächenparameter hinsichtlich eines geringen Ra-Wertes lassen sich über hochmoderne, teilautomatisierte Maschinen, Erfahrung und Know-how sicherstellen“, so Josef Müller. Ist die Entscheidung für das Material gefallen, geht die Planung in die Konstruktionsphase über, von der ersten Skizze bis zum fertigen Bauplan, der dann in der Fertigung umgesetzt wird.
Bühnenkonstruktionen aus einer Hand
Die Bühnenkonstruktionen von Müller & Sohn gehen von der Eifel aus in die ganze Welt. Das jüngste Großprojekt war eine 21 Tonnen schwere Hygienebühnenkonstruktion aus Edelstahl für die Modernisierung einer Anlage eines führenden deutschen Pharmaunternehmens. Hier gab es besondere Anforderungen an Hygiene und Statik. Die Konstruktion musste in die bestehende Anlage eingepasst und komplett vor Ort geschweißt werden. Das heißt, alle Profile, Hohlräume und Rohre mussten verschlossen und der Bodenbelag mit Abläufen verschweißt werden, damit die Konstruktion leicht zu reinigen ist und keine Staubablagerungen entstehen. Die Elemente wurden in Modulbauweise in der eigenen Fertigungshalle vorbereitet, auf die Transportmittel zugeschnitten und später auf der Baustelle miteinander verschweißt. Die Montage erfolgte innerhalb von zehn Tagen im Schichtbetrieb, um den Anlagenstillstand - üblich sind sechs Wochen - so gering wie möglich zu halten.
Bei Projekten mit mehreren Bauabschnitten, unterschiedlichen technischen Spezifikationen und bürokratischen Hürden kann es bis zu zwei Jahre dauern, bis der Bau abgeschlossen ist und die Anlage umgebaut werden kann. So geschehen bei einem Pharmahersteller, der eine 150 Quadratmeter große Bühne aus Edelstahl mit zehn Überstiegen benötigte. Hier wurde an zwei Standorten, beim Kunden und in Kall, parallel gearbeitet, um den engen Zeitplan einzuhalten. Josef Müller: „Beim Transport und der Vor-Ort-Montage kommt es dann auf ‚just in time‘ an.“
Autorin: Catrin Schreiner