Tarifabschluss: Chemie-Tarifrunde beschließt 6,85 Prozent mehr Entgelt

Arbeitsgeberverbands-Präsidentin Scharpwinkel: „Gute Sozialpartnerschaft auch unter schwierigen Rahmenbedingungen“

Nach Abschluss des Tarifvertrages 2024 bekommen die 585.000 Beschäftigten in der Chemie- und Pharmaindustrie fast sieben Prozent Entgelterhöhung in zwei Stufen

Die Gewerkschaft IGBCE und der Arbeitgeberverband BAVC haben sich in der dritten Runde der Chemie-Tarifverhandlungen auf ein zweistufiges Tarifpaket geeinigt. Die 585.000 Beschäftigten in 1.700 Betrieben in der Pharma- und Chemieindustrie erhalten ab September 2024 zwei Prozent mehr Lohn und Gehalt. In einem zweiten Schritt folgen weitere 4,85 Prozent ab April 2025. Die Ausbildungsvergütungen steigen entsprechend. Die Gesamtlaufzeit beträgt 20 Monate bis Ende Februar 2026. Die zweite Stufe der Entgelterhöhung ist flexibilisiert. Sie kann aus wirtschaftlichen Gründen um bis zu drei Monate verschoben werden. Zur Stärkung der beiderseitigen Tarifbindung haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaften darauf verständigt, den sozialpartnerschaftlichen Kurs der Branche fortzusetzen und gewerkschaftliches Engagement stärker zu honorieren. Darüber hinaus wird der Entgelttarifvertrag, der insbesondere die Eingruppierung der Beschäftigten regelt, schrittweise modernisiert.

„Wir haben eine sehr schwierige Tarifrunde in der dritten bundesweiten Verhandlung gemeinsam abschließen können“, kommentiert BAVC-Präsidentin Katja Scharpwinkel den Tarifabschluss. „Standort und Beschäftigung in Deutschland stehen vor großen strukturellen Herausforderungen, die unsere Branche meistern muss. Für diesen hart erarbeiteten Kompromiss mussten sich beide Seiten erheblich aufeinander zubewegen. Aber es wird deutlich, was wir durch eine gute Sozialpartnerschaft auch unter schwierigen Rahmenbedingungen leisten können. Es geht darum, Unternehmen und Beschäftigten Sicherheit und Perspektiven zu geben. Darauf können wir aufbauen, um die Transformation zu einer nachhaltigen Chemie-Industrie erfolgreich zu gestalten.“

Arbeitgeber-Verhandlungsführer Bürk: „Tragfähiger Kompromiss“

„Dieser Tarifabschluss ist ein tragfähiger Kompromiss, der die Interessen beider Seiten berücksichtigt. In der Entgeltfrage gehen wir zweifellos an die Grenze der Belastbarkeit. Aber wir verbinden langfristige Planungssicherheit mit Flexibilität für Unternehmen in einer kritischen Lage“, fasst BAVC-Verhandlungsführer Matthias Bürk zusammen. „Besonders viel Fingerspitzengefühl haben wir bei der Frage gebraucht, wie wir die Tarifbindung auf beiden Seiten stärken. Für uns ist wichtig, dass wir das Prinzip ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘ nicht antasten und so das Risiko einer Spaltung der Belegschaften minimieren. Indem wir unsere Schlichtungsregelung unverändert fortführen und gewerkschaftliches Engagement spürbar wertschätzen, zeigen wir unmissverständlich, dass die Chemie ihrem sozialpartnerschaftlichen Kurs treu bleibt.“

Tarifabschluss honoriert auch gewerkschaftliches Engagement

Zur Stärkung der Tarifbindung auf beiden Seiten haben sich die Tarifparteien darauf verständigt, den sozialpartnerschaftlichen Kurs der Branche fortzusetzen und gewerkschaftliches Engagement stärker zu honorieren. Aktive Mitglieder der IGBCE erhalten ab 2025 einen freien Arbeitstag pro Jahr für ihr gewerkschaftliches Engagement. Die Mitglieder der Bundestarifkommission äußerten sich positiv über den Abschluss: „Ich finde den Abschluss wirklich gut. Die fast sieben Prozent Entgeltplus sind ein starkes Zeichen. Und ich bin positiv überrascht, dass es tatsächlich geklappt hat, den Mitgliedervorteil durchzusetzen“, sagt etwa Sarah-Maria Eckrich, JAV-Mitglied bei BASF. Ingo Möller, Betriebsratsmitglied bei Bayer in Berlin, erklärt ebenfalls: „Ich bin zufrieden mit dem Abschluss. Im Quervergleich mit anderen Gewerkschaften kann sich das sehen lassen.“ Auch Sascha Held, Betriebsratsvorsitzender bei Merck, lobt: „Ich bin zufrieden. Wir haben als erste Gewerkschaft im Land einen Mitgliederbonus in der Fläche durchgesetzt.“

Update für Bundesentgelttarifvertrag sowie Modernisierung der Tarifverträge schrittweise bis 2030

Bei dem für die Eingruppierung der Beschäftigten ausschlaggebenden Bundesentgelttarifvertrag (BETV) haben sich IGBCE und BAVC auf erste Modernisierungsschritte verständigt. So ist ab September 2024 die Textform ausreichend statt der bisher notwendigen Schriftform. Damit können etwa Entgeltabrechnungen digital ausgegeben werden. Auch wurden Berufsbezeichnungen aktualisiert und Regelungen zur Höhergruppierung angepasst. Außerdem ist die Nutzung des Entgeltkorridors, mit dem die Entgelte mit Zustimmung der Tarifparteien um bis zu zehn Prozent abgesenkt werden können, künftig unbefristet möglich. Das eröffnet Unternehmen mit strukturellen Problemen mehr Planungssicherheit. 

Zudem starten Gewerkschaft und Arbeitgeber einen strategischen Prozess zur Modernisierung der Tarifverträge der chemischen Industrie. Ziel ist es, die tarifvertraglichen Regelungen bis zum Jahr 2030 an die Herausforderungen der sich stetig ändernden Arbeitswelt und die strukturellen Veränderungen in der Branche anzupassen. Perspektivisch sollen die Chemie-Tarifverträge einfacher werden, indem Komplexität und Regelungstiefe reduziert werden. Im Rahmen des Prozesses sollen auch die regional erarbeiteten Vorschläge zur Stärkung der beiderseitigen Tarifbindung aufgegriffen werden.
 

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