VCI: Pharma- und Chemieproduktion steigt im ersten Halbjahr um drei Prozent

Verband behält Prognose bei: Produktion + 3,5 und Umsatz + 1,5 Prozent

Entwicklung der Produktion in den einzelnen Chemiesparten

Das erste Halbjahr 2024 verlief für die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland besser als erwartet. Einem Rückgang des Branchenumsatzes und der Erzeugerpreise steht ein leichtes Produktionsplus gegenüber. Trotz vereinzelter positiver Signale bleibt die Stimmung in der Branche jedoch verhalten. Vor allem das Inlandsgeschäft enttäuscht. VCI-Präsident Markus Steilemann kommentiert die aktuelle Lage: „Es gibt einen Silberstreif, aber von einem stabilen Aufwärtstrend kann keine Rede sein.  Die leichten Anzeichen der Erholung sind kein Grund zum Jubeln. Wir erwarten zwar, dass sich die Auftragslage im Jahresverlauf verbessert. Die Signale leichter Entspannung dürfen aber den Blick auf die Standortprobleme nicht verstellen: Neben fehlenden Aufträgen bereiten uns die Energiepreise und die Bürokratie die größten Sorgen.“

Insgesamt entwickelte sich das erste Halbjahr für die Branche laut VCI durchwachsen. Mehr Aufträge von Kunden aus dem In- und Ausland sorgten dafür, dass die Branche ihre Produktion im ersten Halbjahr um drei Prozent steigern konnte. Damit lag sie aber immer noch rund elf Prozent unter dem Niveau von 2021. Viele Anlagen waren daher weiterhin nicht ausgelastet und blieben unter der Gewinnschwelle. Nach dem starken Einbruch im Vorjahr konnte insbesondere die Grundstoffchemie wieder Boden gut machen. Die Produktion anorganischer Grundstoffe lag im ersten Halbjahr um zwölf Prozent über dem Vorjahresniveau. Auch die Produktion organischer Grundstoffe legte mit 8,5 Prozent kräftig zu. In den übrigen Chemiesparten fiel der Produktionszuwachs deutlich geringer aus: Bei den Konsumchemikalien stieg die Produktion nur leicht um zwei Prozent, ebenso bei der Polymerproduktion mit 1,5 Prozent. In der Spezialchemie war die Produktion erneut rückläufig um zwei Prozent. Grund dafür war, dass viele Industriekunden ihre Produktion im ersten Halbjahr gedrosselt hatten und sich daher mit Bestellungen zurückhielten.

Zuversicht kommt aus der Pharmaindustrie. Hier stehen die Zeichen seit Jahresbeginn wieder auf Wachstum. Die Produktion stieg im ersten Halbjahr um 1,5 Prozent zu. Die hohe Nachfrage sorgte für ein Umsatzplus von sechs Prozent. Insgesamt lag der Branchenumsatz der chemisch-pharmazeutischen Industrie im ersten Halbjahr mit rund 112 Milliarden Euro etwa ein Prozent unter dem Vorjahresniveau. Dies ist vor allem auf die Erzeugerpreise zurückzuführen, die im ersten Halbjahr unter Druck gerieten. Sie sanken im Branchendurchschnitt um vier Prozent.

Vor allem im Inlandsgeschäft blieb die Erlössituation trotz steigender Absatzmengen enttäuschend. Hier steht ein Minus von fünf Prozent in den Büchern. Besser sieht es nach langer Durststrecke im Auslandsgeschäft aus. Der Umsatz mit Exportprodukten verzeichnete in den ersten sechs Monaten des Jahres ein leichtes Plus und lag um 1,5 Prozent höher als ein Jahr zuvor.

Zweite Jahreshälfte: Konjunktur besser, Stimmung gedämpft

Die Auftragslage in der Chemie dürfte sich im Jahresverlauf konjunkturell weiter verbessern. Vor diesem Hintergrund hält der VCI an seiner Prognose für das Gesamtjahr fest: 3,5 Prozent Produktions- und 1,5 Prozent Umsatzplus. Wesentlicher Wachstumstreiber bleibt das Auslandsgeschäft. Die Stimmung in der Branche ist jedoch weiterhin gedämpft. Laut den Ergebnissen der aktuellen VCI-Mitgliederbefragung spüren erst 30 Prozent der Unternehmen eine konjunkturelle Erholung. Rund die Hälfte hoffen im zweiten Halbjahr oder im Jahresverlauf 2025 auf eine Besserung. VCI-Präsident Markus Steilemann betont: „Zur Wahrheit gehört auch: Jedes fünfte Unternehmen sieht noch kein Licht am Horizont und die konjunkturelle Erholung in weiter Ferne. Wir dürfen eines nicht vergessen: Wir haben zwar die Produktion hochgefahren, unsere Anlagen laufen aber nach wie vor nicht rentabel, und das seit über zweieinhalb Jahren.“ Zu stark belasten die strukturellen Nachteile am Standort Deutschland. Die Unternehmen rechnen deshalb damit, dass sich die Ertragslage im Gesamtjahr 2024 noch einmal verschlechtern wird.

VCI: Größtes Hemmnis bleiben Standortprobleme

Mehr als 70 Prozent der Unternehmen fühlen sich durch regulatorische Anforderungen massiv behindert. Damit bleibt die Bürokratie das größte Handelshemmnis. Grund dafür sind nicht nur die dadurch verursachten Kosten, die laut VCI-Mitgliederbefragung mittlerweile bei rund fünf Prozent des Umsatzes liegen, sondern auch die ständig steigende Zahl neuer Regelungen, die die Unternehmen zunehmend überfordern. Ein weiterer wesentlicher Kostenfaktor für die Unternehmen sind nach wie vor die hohen Energiepreise. Nach wie vor sehen 45 Prozent ihr Geschäft dadurch erheblich belastet. „In allen Punkten kann und muss politisch gegengesteuert werden. Und die Ampel behauptet ja auch, dies zu tun. Doch die Realität sieht anders aus“, stellt Steilemann fest. Fehlende Aufträge, hohe Energiepreise, zunehmende Bürokratie: In dieser Gemengelage entscheiden sich immer mehr Unternehmen gegen den Standort Deutschland. Laut VCI-Mitgliederumfrage sanken die Investitionen der Branche in Deutschland im vergangenen Jahr um zwei Prozent auf 9,2 Milliarden Euro. Gleichzeitig stiegen die Auslandsinvestitionen um gut acht Prozent auf rund zwölf Milliarden Euro. Hinzu kommt, dass die Wettbewerbsbedingungen in Deutschland immer mehr ausländische Investoren abschrecken. Damit droht die Transformation, mit der Deutschland zum Vorreiter für Zukunftstechnologien werden will, ins Stocken zu geraten.

„Wir brauchen nicht nur Reformen auf der Sachebene. Wir brauchen auch einen mentalen Wandel. Die Nation muss offensiver und dynamischer werden. Eine gemeinsame ehrliche Anstrengung ist notwendig, um eine langfristig angelegte nationale Transformationsagenda zu entwickeln, die auch über eine Legislaturperiode hinaus Bestand hat. Ich rufe die Parteien der Mitte auf, sich zu einem Bündnis für Transformation zusammenzufinden. Es ist allerhöchste Zeit, dass wir Lagerdenken und Selbstsucht überwinden und alle zusammen Hand anlegen“, ermutigt Steilemann abschließend.
 

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